Das historische Rathaus der Stadt Osnabrück wurde zwischen 1487 und 1512 im spätgotischen Stil erbaut, weist aber bereits deutliche Merkmale der Renaissance auf. Die Frontansicht wird durch ein 18 Meter hohes Walmdach bestimmt. An dessen unterem Ende befinden sich insgesamt sechs Türme, die an Wach- und Ecktürme einer Festung erinnern. Seit 1846 bildet eine große steinerne Freitreppe den Zugang zum Rathaus, nachdem es zuvor über eine einziehbare Holztreppe betreten wurde. An der 500-Jahre alten Eingangstür befindet sich seit 1963 der aus schwerer Bronze gefertigte Türgriff “Friede” des Bildhauers Fritz Szalinski. Er zeigt eine Taube auf einem Balken mit der Aufschrift “Friede 1648” sowie das Stadtwappen in Form des Osnabrücker Rades. Über dem Eingang thront der Stadtgründer, der fränkische König und spätere Kaiser Karl der Große. Ihm zur Seite stehen seit dem 19. Jahrhundert die acht sogenannten Kaiser-Plastiken, ein Geschenk des preußischen Königshauses an die Stadt Osnabrück.
Im Erdgeschoss des Rathauses befinden sich u. a. der Friedenssaal und die Schatzkammer, in der das Ratssilber, Münzen, Prägestempel, die älteste Schützenkette und wichtige Urkunden aufbewahrt werden. Im Obergeschoss steht ein Mitte der 1950er Jahre vom Bildhauer Heinrich Bohn geschaffenes Modell Osnabrücks im Jahr 1633.
Am 13. September 1944 wurde das Rathaus bei einem alliierten Bombenangriff schwer getroffen. Die historische Einrichtung wurde schon einige Zeit zuvor ausgelagert und konnte so gerettet werden. Bereits 1947 begann der Wiederaufbau, der pünktlich zur 300-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens am 25. Oktober 1948 beendet wurde.
Am 05. Juli 2019 fand ein Anschlag auf die historische Eingangstür statt. Der nur oberflächliche Schaden konnte jedoch beseitigt werden.
Hintergrund zum Bau des Rathauses
Schon 1244 wurde ein Osnabrücker Rathaus am Markt erstmals urkundlich erwähnt. Es befand sich an der Stelle der heutigen Stadtbibliothek und wurde 1836 abgerissen. Im Laufe des 15. Jahrhunderts reichte seine verhältnismäßig kleine Größe nicht mehr für die Bedürfnisse der wachsenden Stadt und die vielfältigen Aufgaben der bürgerlichen Selbstverwaltung aus. Die Entscheidung für den Neubau führte zu einem mühevollen und langen Prozess. Schon zehn Jahre vor Baubeginn, im Jahr 1477 wurde mit den Vorbereitungen begonnen. Da kein zentraler Platz in der eng bebauten Stadt vorhanden war, musste ein neuer Bauplatz geschaffen werden. Der Friedhof der Marienkirche wurde hinter die Kirche verlegt, Häuser und eine ganze Gasse mussten auf dem Gelände des heutigen Rathauses und Marktes verschwinden. Erst 1487 begann die 25-jährige Bauzeit des “Neuen Rathauses auf der Alten Stadt.” Anhand alter Stadtrechnungen liegen die geschätzten Gesamtkosten für den Bau bei ungefähr 6.000 Mark. Umgerechnet auf den heutigen Wert betrugen die Kosten ca. 23 Millionen Euro. Finanziert wurde der Bau abhängig von der Kassenlage aus dem laufenden Stadtetat. 1487 und 1503 erhob der Rat jeweils eine Sondersteuer für die Baufinanzierung. Die hohen Belastungen führten auch zu Aufständen.
Als treibende Kraft hinter dem Projekt wird der damalige Osnabrücker Bürgermeister Ertwin Ertman vermutet. Aus kleinen Verhältnissen stammend, hatte er es zu Macht und Einfluss gebracht. Er vertrat Osnabrück bei der Hanse in Köln, Bremen und Lübeck. Ihm gelang es bereits 1452 den zwei Jahre zuvor für zehn Jahre verhängten Ausschluss von der Hanse zu beenden. Ertman bekleidete trotz sozialer Unruhen 23 Jahre lang das Amt des Bürgermeisters der Altstadt und saß 52 Jahre im Rat. Erst im Jahr seines Todes 1505 schied er aus dem Amt.
Mit dem Bau des Neuen Rathauses setzte die Bürgerschaft der geistlichen Domimmunität ein selbstbewusstes Zentrum entgegen. Sie symbolisierte damit ihre Eigenständigkeit, wirtschaftliche Stärke und ihre politische Machtposition.
Der Friedenssaal und der Westfälische Frieden
Der Friedenssaal wurde ursprünglich als Ratssaal, bzw. Sitzungssaal konzipiert: Ein Raum mit umlaufender Bank und einem spektakulären “demokratischen” Konzept: Alle Anwesenden sahen einander bei den Beratungen ins Gesicht. Es gab keine räumliche Hierarchie, der Rat selbst bildete das Zentrum seiner Entscheidungen.
Ab 1643 wurde der Friedenssaal zu einem der beiden Schauplätze der Verhandlungen des Westfälischen Friedens (1648). Neben Münster wurden hier die Friedensverträge zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) unterzeichnet. Die Wände des Friedenssaals schmücken die vom flämischen Maler Anselm van Hulle 1648 angefertigten Porträts der 42 europäischen Gesandten des Friedenskongresses und die Bildnisse der Herrscher der damaligen Kriegsparteien (u. a. Königin Christina von Schweden, Ludwig XIV. von Frankreich oder der römisch-deutsche Kaiser Ferdinand III.). Unterhalb der Porträts und Fenster befindet sich das mit Schnitzwerk verzierte Eichenholz-Gestühl, welches gotische Muster mit Motiven der Frührenaissance verbindet. Die sogenannten Privilegienschreine - zwischen den Fenstern ins Mauerwerk eingelassen - dienten u. a. als Wandschränke der großen Osnabrücker Hospitäler zur Verwahrung wichtiger Dokumente wie Stiftungsurkunden und Rezepte. Sie verfügen über figürliche und ornamentale Schnitzereien. Die Wandschränke mit schlichteren Türen konnten Bürger für ihre Wertsachen als eine Art Schließfach anmieten. Als zentrales Prunkstück thront ein schmiedeeiserner Kronleuchter aus dem 16. Jahrhundert über dem Raum. Seine drei Ebenen thematisieren bildhaft das Paradies, das Firmament mit Sonne, Mond und Sternen sowie Maria mit dem Jesuskind und drei Vertretern der Stände. Das Rentiergeweih eines Sechsundreißigenders wurde später eingefügt. Die schwedische Königin Christina schenkte es der Stadt Osnabrück zur Friedensunterzeichnung.
Der Westfälische Frieden gilt als herausragendes Ereignis der deutschen und europäischen Geschichte, denn mit ihm wurden erste Grundlagen für ein vereintes Europa geschaffen. Seit April 2015 sind das Osnabrücker Rathaus und das Rathaus von Münster daher Träger des Europäischen Kulturerbe-Siegels. Die europäische Kommission verleiht dieses Siegel an Orte, die eine besondere Bedeutung für die Geschichte Europas haben.
Die Stadtwaage
Die Stadtwaage befindet sich direkt neben dem Rathaus. Heute hat hier u. a. das Standesamt seinen Sitz. Das Haus wurde zwischen 1531 und 1532 als zweigeschossiges, giebelständiges Gebäude aus Kalkbruchsteinmauerwerk errichtet. Charakteristisch ist der vierstufige Treppengiebel. Im Dachgeschoss halten zwei bärtige Männer das Wappenbild der Stadt. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadtwaage 1953 für die Stadtverwaltung wieder aufgebaut.
Das Gebäude diente ursprünglich der Gewichts- und Qualitätskontrolle von Waren (insbesondere Textilien). Die Produkte wurden gemessen, gewogen und auch die fälligen Abgaben bestimmt. Nach eingehender Prüfung erhielten die Waren ein Siegel in Form des Osnabrücker Wagenrades. Auf dem Dachboden der Stadtwaage wurden im Mittelalter zudem Kräuter gelagert. Diese bildeten später die Grut, eine Würzmischung, um das Bier schmackhaft zu machen.
Einen virtuellen Rundgang durch das Rathaus finden Sie hier.