Restaurant für Feinschmecker und Feingeister

Natürlich weiß ich gutes Essen zu schätzen, aber – Hand aufs Herz – ich bin kein Feinschmecker. Ich glaube an die geschmacksverbessernde Wirkung von Ketchup und trinke mein Gerstengras ohne mit der Wimper zu zucken. Daher ist es wunderbar, heute einen Experten an meiner Seite zu haben. Oliver Becker ist nicht nur bekennender „Foodie“, sondern hat als Mysteryguest bereits über 100 Restaurants und Übernachtungsbetriebe bewertet. Als Trainer schult er außerdem touristische Betriebe für das Zertifikat „Servicequalität Deutschland“. Genau der richtige Mann also, um mir heute zu erklären, ob und wann es gerechtfertigt ist, 50 € für ein 4-Gänge-Menü auszugeben. Heute Abend bin ich allerdings von Oliver eingeladen und wir freuen uns sehr auf den Besuch im Restaurant „Wilde Triebe“ in Osnabrück.

Die Speisekarte im „Wilde Triebe“ bietet feine Klassiker, wie etwa Zander oder Tafelspitz, originell kombiniert mit saisonalen und internationalen Beilagen. Viele Zutaten stammen aus der Region, wie z.B. die Eier vom Hof Kottmann, oder die Kartoffeln aus dem Nachbarort. Rustikale Bühne für diese moderne deutsche Küche ist das alte Bahnhofsgebäude in Sutthausen. In der Abendsonne nehmen wir unseren Aperitif auf der Terrasse und genießen die abstrahlende Wärme der alten roten Backsteinmauern. Die Wahl fällt auf Lammrücken mit Ratatouille und Polenta für Oliver, Rinderschulter mit Kartoffelstampf und feinem Kohlgemüse für mich. Der Feinschmecker bestellt einen Grauburgunder dazu. Als Gruß aus der Küche werden Mozzarella-Häppchen mit Pfirsich und ein winziges Schüsselchen Bouillabaisse mit Pulpo serviert. Oliver und ich schlemmen uns durch die Gangfolge und sind uns einig, dass alles hervorragend schmeckt, frisch zubereitet ist und sowohl einen Augen- wie auch einen Gaumenschmaus darstellt.

Was mich im „Wilde Triebe“ aber noch viel mehr begeistert als Essen und Getränke selbst, ist die Art, wie sie serviert werden. Dies fängt an bei der Wasserkaraffe. „Mit Liebe und Dankbarkeit“ steht dort auf dem Glasboden zu lesen. Auf Nachfrage erklärt uns unsere Kellnerin, dass das Wasser dadurch weicher und bekömmlicher wird. Das kann man glauben oder nicht, ich persönlich finde es eine sehr schöne Idee und genieße jeden Schluck. Auch das übrige Geschirr ist nicht einfach schnödes Porzellan, sondern stammt aus den Händen des Künstlers Johannes Trieb, der hier im Garten sein Atelier mit Töpferwerkstatt hat. Jeder Becher und jeder Teller ist ein liebevoll gestaltetes Unikat aus Künstlerhand. Es ist deutlich zu spüren, dass hier Menschen arbeiten, die mit Liebe zu ihren Gästen und Wertschätzung für das Essen kochen.

Nun möchte ich von Oliver aber doch noch etwas genauer wissen, wie das mit diesen Mystery-Checks funktioniert. 350 Fragen müssen dafür beantwortet werden, erzählt Oliver und lächelt geheimnisvoll. So richtig lässt er sich an diesem Abend nicht in die Karten schauen. Die Berufsehre des Mystery-Guests. „Letztendlich entscheidet doch das Bauchgefühl, ob man sich in einem Restaurant gut aufgehoben fühlt“, meint Oliver. Schließlich lässt er sich aber doch noch überreden und gibt mir folgende Tipps, auf die ich beim nächsten Restaurantbesuch achten werde:

1. Gutes Servicepersonal nimmt Dich beim Betreten des Restaurants sofort wahr und spricht Dich an.

2. Gutes Servicepersonal geht auf Deine individuellen Wünsche ein.

3. Gutes Servicepersonal baut eine Beziehung zu Dir auf.

4. Gutes Servicepersonal schaut Dir in die Augen.

5. Gutes Servicepersonal ist auch noch freundlich, nachdem Du die Rechnung beglichen hast.

Den letzten Punkt gilt es beim Bezahlen noch zu überprüfen. Beim Abschied versorgt mich unser Kellner ungefragt und sehr freundlich mit Flyer und Infos rund um das Atelier im Garten. „Jetzt ist es ja leider schon dunkel, aber wenn Ihr Lust habt, schaut einfach mal bei Gelegenheit wieder vorbei.“ Und? frage ich Oliver. „Wie zufrieden bist Du mit dem ‚Wilde Triebe‘?“ „Glatte Eins!“, meint Oliver und lächelt sehr glücklich.

„Ich finde“, meint Oliver, für einen gelungenen Abend im Restaurant ist man als Gast auch immer selbst mit verantwortlich.“ Das sehe ich genauso und daher hier noch Olivers und meine Top 5, woran Dein Restaurant erkennt, ob Du ein guter Gast bist:

1. Begegne dem Servicepersonal auf Augenhöhe.

2. Überlege Dir gut, ob der ein oder andere Scherz wirklich nötig ist.

3. Verhalte Dich so, wie Du es von Deinen Gästen zuhause erwarten würdest.

4. Bist Du zufrieden, gib großzügig Trinkgeld (5-10%).

5. Bleib sachlich, wenn Du etwas zu bemängeln hast.

Das „Wilde Triebe“ serviert am Nachmittag auch Kaffee und Kuchen, bei schönem Wetter auch draußen. Viele Menschen kommen allerdings auch, um sich die wirklich sehr ungewöhnlichen Waschräume anzusehen. Warum? Am besten selbst anschauen!

Öffnungszeiten:

Freitags und Montags ab 15 Uhr; warme Küche von 18 – 21:30 Uhr

Samstags und Sonntags ab 12 Uhr; warme Küche von 12 – 14:00 Uhr und 18 – 21:30 Uhr