Auf den Spuren von Cittaslow in Bad Essen

Drei Frauen – eine Mission. Luisa, Angelika und ich wollen heute in Bad Essen endlich einem Geheimnis auf die Spur kommen. Was bitteschön ist eigentlich genau Cittaslow? Denn Bad Essen gehört seit Februar 2016 zur Cittaslow-Vereinigung Deutschland. Und ganz ehrlich gesagt – auch für uns Touristiker ist das noch etwas Neuland.

„Man spricht den Anfang übrigens italienisch aus“, meint Luisa. [tʃitˈta sləʊ] Aha. Langsame Stadt, also? Mal im Ernst – klingt etwas nach einem Euphemismus für „nichts los hier“, oder? Bitte nicht falsch verstehen, ich bin ein großer Fan von Bad Essen. Schloss Ippenburg, der Yachthafen, der Kirchplatz mit den knuffigen Fachwerkhäusern. Alles super, auch ohne dass man ein Label darauf pappt. Aber ich bin ja bereit, mich überraschen zu lassen. 

Wir starten an der Tourist-Info und während die beiden anderen dort noch mit der freundlichen Frau Ahlert am Counter schwatzen, studiere ich die Aushänge. „Nichts los hier“ trifft es schon mal nicht. Ich bin ziemlich beeindruckt von dem Veranstaltungsangebot. Kultursommer, Kornschroten, Gesundheitswandern, Tanzen, Yoga … Ich schaue in meine Cittaslow-Broschüre mache befriedigt jeweils einen Haken an die Kategorien „Kultur und Traditionen“ und „Entschleunigung“. Ich komme der Sache mit Cittaslow schon noch auf die Spur.

„Lasst uns einen Spaziergang durch den Kurpark machen“, schlägt Angelika vor. Ich nicke. Das hat bestimmt auch was mit Cittàslow zu tun. Wie aus einer anderen Welt zu uns herabgeschwebt, erwartet uns dort die SoleArena. In dieser spektakulären Konstruktion aus Schwarzdorn wird ultrafein die Bad Essener Sole vernebelt.  Die Bad Essener Sole ruht seit 220 Millionen Jahren in 800 m Tiefe geschützt vor Umwelteinflüssen und sie ist tatsächlich Europas mineralreichste Solequelle. Nichts wie hinein! Mit uns im Nebel sitzt Walter, schnell kommen wir ins Gespräch. Früher wäre er nur seiner Frau zuliebe nach Bad Essen gekommen, aber dann hätte er sich in das Dorf verliebt. Wo seine Frau denn wäre, fragen wir ihn. „Ach, die schläft heute aus. Ist ja schließlich Urlaub.“ Wir nicken verständnisvoll.

Nachdem wir die SoleArena wieder verlassen haben, blicke ich etwas irritiert auf meine Liste. Wo soll ich denn jetzt meinen Haken setzen? Vorsichtig und nicht ganz zufrieden damit, setzte ich ihn hinter die Cittaslow-Kategorie „Charakteristische Stadtstruktur“. Wir gehen weiter auf dem „Weg der Sinne“. An verschiedenen Erlebnisstationen soll hier ein bewusstes Erleben der Sinne gefördert werden. An der Station zum Training der Balance hat Luisa ganz eindeutig ihren Spaß – inklusive einer tollen Aussicht von der sogenannten „Himmelsterrasse“. Und ich mache sehr glücklich mein Häkchen bei der Kategorie „Bewusstseinsbildung“.

So langsam bekommen wir Hunger und Luisa hat uns eine typische Bad Essener Kartoffelplate versprochen. Schnell sind wir den Berg herunter, als plötzlich jemand hinter uns hergelaufen kommt. „Ist das eurer?“, fragt uns eine Frau Mitte 40. Das Wetter war bislang so schön, dass wir völlig unseren Regenschirm vergessen hatten. Oje, und die Arme muss nun den ganzen Berg wieder hochlaufen! „Kein Problem“, lächelt sie uns an. „Schließlich bin ich hier, um so richtig fit zu werden.“ Auf dem Weg zum Kirchplatz und unserer Kartoffelplate laufen wir einem niederländischen Ehepaar in die Arme. Als das Stichwort „Amsterdam“ fällt, ist Tony aus Winschoten nicht mehr zu bremsen und gibt mit „Tulpen aus Amsterdam“ eine lautstarke Kostprobe seiner Gesangskunst.

Angelika zwinkert mir zu: „Na, weiß Du jetzt was Cittaslow bedeutet?“ Fragend schaue ich auf meinen Zettel. Meint sie etwa, ich solle im Hinblick auf Tonys Gesangseinlage noch ein Häkchen bei „Weltoffenheit und Herzlichkeit“ setzen? „Alle, denen wir heute begegnet sind, waren so gut gelaunt, richtig glücklich sogar“, sagt Angelika. „Cittaslow ist eindeutig ein Lebensgefühl!“ Ein Lebensgefühl? Prima, denke ich und nicke. Das finde ich gut! Und Luisa lächelt: Mission erfüllt, Mädels!

Cittàslow (langsame Stadt; ital. città = Stadt, engl. slow = langsam) ist eine Bewegung, die 1999 in Italien gegründet wurde. Sie wurde inspiriert von der Slow-Food-Bewegung. Hauptziele sind die Verbesserung der Lebensqualität in Städten und das Verhindern der Vereinheitlichung und Amerikanisierung von Städten, in denen Franchise-Unternehmen dominieren. Die Unterstützung und Betonung von kultureller Diversität und den eigenen und speziellen Werten der Stadt und ihres Umlandes sind ebenfalls zentrale Cittàslow-Ziele. Im weiteren Sinne kann Cittàslow dem Trend der sogenannten Slow-Bewegung (vgl. Entschleunigung) zugerechnet werden.

citta-slow.de